Beton im Glas – plötzlich pure Natur

sonnige Markttage

Beton im Glas – plötzlich pure Natur

Gestern war einer dieser schönen Markttage: Die Sonne lachte, die Leute schlenderten gut gelaunt über den Platz, und unsere Gläser, auch mit cremig gerührtem Honig, funkelten verlockend im Sonnenlicht. Wir waren gerade dabei, einem Kunden seinen Honignachschub einzupacken, da tauchte eine Kundin auf. Mit dieser Ausstrahlung, die ankündigt: Jetzt kommt Expertenwissen!

Unser Probierglas in der Hand und Rapshonig im Mund legte sie los: „Also, wisst ihr eigentlich,“ begann sie, „dass Rapshonig nur dann echt ist, wenn er steinhart wird? Alles andere ist manipuliert! Das hat mir mein Imker erklärt.“

Wir lächelten höflich, nickten und warteten ab. Und tatsächlich – die Kundin hatte noch einiges auf Lager. Eine kleine Lehrstunde über Honig, serviert mit Überzeugung und Nachdruck. Während sie redete, dachten wir an den cleveren Kollegen, der seinen Kunden Betonhonig mit einem Beweis für Natürlichkeit verkauft. Immerhin spart er so eine Menge Arbeit, vor der wir uns jedenfalls nicht scheuen.

Abwarten

Wir prüfen unseren Honig regelmäßig, achten auf die ersten Kristalle und steuern den Kristallationsprozess sorgfältig. Der Aufbau von Erfahrungen war hier ein jahrelanger Prozess. Der Kollege dagegen scheint den Honig einfach stehen zu lassen. Rapshonig kristallisiert von selbst, Akazienhonig bleibt flüssig – fertig ist die große Naturerklärung. Die Kundin strahlte: „Wisst ihr, das passiert alles von allein!“ Wir dachten nur: Ja, wenn man eben den Aufwand optimiert.

Starterhonig? Zu viel Mühe

Wir impfen manchmal mit cremigem Honig, damit die Kristallisation fein und gleichmäßig verläuft. Darauf verzichtet der Kollege offenbar ebenfalls. Das Ergebnis: ein Honig, der härter wird als ein Brandenburger Findling. Für die Kundin war das allerdings „unverfälscht“. Für uns sah es eher nach Materialtest fürs Frühstücksmesser aus.

Rühren? Lieber nicht

Das Rühren gehört für uns zu den aufwendigsten, aber auch wichtigsten Schritten. Nur so entsteht diese cremige Konsistenz, die sich so herrlich aufs Brot streichen lässt. Der Fachgenosse scheint darauf komplett zu verzichten – und genau das verkauft er dann wohl als Beweis für „Echtheit“. Die Kundin fasste es stolz zusammen: „Der Honig ist steinhart, weil nichts dran gemacht wurde.“ Wir dachten: Exakt!

Abfüllen? Ganz entspannt

Wir warten beim Abfüllen auf den perfekten Moment, um die feine Struktur zu bewahren. Der Marktbegleiter hat’s da leichter – sein Honig kommt aufwandsbefreit sofort ins Glas, Deckel drauf, fertig. Die Kundin schwärmte: „So haben ihn die Bienen gemacht.“

Der Clou

Was so gut wie alle unserer Kunden als inakzeptable Schwäche empfinden würden – ein Honig, der im Glas sitzt wie Beton – verwandelt sich in der Erzählung der Kundin in den ultimativen Echtheitsbeweis. Untätigkeit wird zur Tugend, Bequemlichkeit zum Markenzeichen.

Fazit

Während wir viel Zeit investieren und unsere Honige sorgfältig rühren, prüfen und abfüllen, damit sie cremig und streichfähig bleiben, hören wir uns auf dem Markt auch mal Vorträge von Kunden an, die genau das zur Manipulation erklären. Begeisterung kann dabei auch einem Honig gelten, der schlicht durch Nichtstun hart geworden ist – und das verkauft sich dann als „pure Natur“. 
Wie man’s macht, macht man’s eben verkehrt!
Übrigens, ein Glas unseres Rapshonigs hat sie dann doch mitgenommen.